RED II – Welche Emissionswirkungen ergeben sich durch unterschiedlich restriktive Auslegungen der „Grünstromkriterien“?

RED II – Welche Emissionswirkungen ergeben sich durch unterschiedlich restriktive Auslegungen der „Grünstromkriterien“?

Die Europäische Kommission erarbeitet derzeit einen Delegated Act zur Umsetzung der Renewable Energy Directive II (RED II), welche u.a. die Rahmenbedingungen der Nachhaltigkeitskriterien für den Strombezug zur Herstellung von grünem Wasserstoff konkretisiert.

Im Juni 2021 hat Frontier eine Kurzstudie zum Thema „Grünstromkriterien der RED II – Auswirkungen auf Kosten und Verfügbarkeit grünen Wasserstoffs“ im Auftrag der RWE AG durchgeführt und veröffentlicht.

Unsere Analysen zeigen, dass die Kosten der Produktion von grünem Wasserstoff bei einer Ausweitung der Bilanzierungszeiträume zwischen EE-Bezug und Elektrolyse stark sinken. In der Diskussion wird allerdings wiederholt die These geäußert, dass eine pragmatische und eher weite Auslegung der Grünstromkriterien zu einem merklichen Anstieg der CO2-Emissionen im Stromsystem führen würde.

Vor diesem Hintergrund hat die RWE AG Frontier Economics damit beauftragt, eine Kurzstudie zu den CO2-Emissionseffekten der H2-Grünstromkriterien in Abhängigkeit von unterschiedlichen Auslegungen der RED II  Grünstromkriterien zu erstellen.

Unsere Strommarktanalysen zeigen, dass die Emissionsauswirkungen der Wasserstoffproduktion selbst bei hoher Auslastung der Elektrolyseure sehr gering ist.  In einigen Szenarien zeigt unsere Analyse sogar, dass die Umstellung, von einer stündlichen Korrelation von EE-Produktion und H2 Elektrolyse auf eine jährliche Bilanzierung, Emissionseinsparungen ermöglicht.

CO2 Intensität bezogen auf die Energiemenge eines Kilogramms Wasserstoff (H2 Äquivalent)

SMR: Steam-Methan-Reforming; AMR: Autothermal Reforming; CCS: Carbon capture and storage; Blauer Bereich zeigt Bandbreite der Werte.

Diese Ergebnisse führen wir auf die folgenden Prinzipien zurück:

Zusätzlichkeit der Stromproduktion für die Wasserstofferzeugung ist auch bei längeren Bilanzzeiträumen gegeben: Die Zusätzlichkeit der Stromproduktion für die Erzeugung von grünem Wasserstoff ergibt sich über die Anforderungen an die EE-Anlagen, aus denen Strom für die Produktion von grünem Wasserstoff bezogen werden kann. Es ist vorgeschrieben, dass die Anzahl der von Elektrolyseuren verbrauchten Kilowattstunden der Anzahl der durch zusätzliche Erneuerbare-Energien-Anlagen erzeugten Kilowattstunden entspricht: Für die Zusätzlichkeit der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist die Länge des Bilanzierungszeitraums daher unerheblich.  

Wasserstoffproduktion folgt auch ohne starre Vorschriften der erneuerbaren Produktion: Da im hier betrachteten Fall sowohl Strombezug als auch Wasserstoffproduktion netzgebunden sind, ergeben sich die Opportunitätskosten für Stromproduktion und Stromverbrauch aus dem Großhandelsmarkt für Strom.

Die Elektrolyseure werden daher den kontrahierten erneuerbaren Strom am Großhandelsmarkt verkaufen, wenn die Strompreise hoch sind, und werden ihn selbst verbrauchen, wenn Strompreise niedrig sind. Die Steuerungswirkung ergibt sich somit direkt aus den Preissignalen des Großhandelsmarkts. Dies ist besonders mit Blick auf die Frage der Korrelation der Wasserstoffproduktion mit der EE-Stromerzeugung relevant. So ist keine enge Vorgabe an die zeitliche Korrelation erforderlich, um eine Korrelation von erneuerbarer Stromproduktion (bei hoher Stromproduktion sind die Großhandelspreise tendenziell niedrig) und Wasserstoffproduktion (bei niedrigen Strompreisen ist die Wasserstoffproduktion attraktiv) herbeizuführen.

Eine Ausweitung der Bilanzierung zwischen EE-Einspeisung und Wasserstoffproduktion ermöglicht also eine marktorientierte Fahrweise, die für sich genommen einen Zusammenhang zwischen EE-Einspeisung und Elektrolyse bewirkt.

Systemdienlichkeit der Wasserstoffproduktion wird durch marktorientierte Fahrweise verbessert: Weiterhin stützt eine marktorientierte Fahrweise der Elektrolyseure die Systemdienlichkeit bei weniger starrer zeitlicher Korrelation stärker als bei strikten Vorgaben.

Entsprechend folgt bei strikten Vorgaben die Wasserstofferzeugung dem Einspeiseprofil des EE-Anlagenportfolios des Investors, bzw. den vertraglich gebundenen Anlagen. Dieses Portfolio wird in der Praxis allerdings nicht dem EE-Anlagenportfolio des gesamten Stromsystems entsprechen.

So folgt der Einsatz der Elektrolyse bei enger zeitlicher Korrelation der H2-Erzeugung zum Einspeiseprofil des eigenen EE-Anlagenportfolios, auch wenn dies aus Systemperspektive nicht optimal ist und umgekehrt. Die Systemintegration der Erneuerbaren wird hierdurch geschwächt und nicht gestärkt.

Die Bundesregierung sieht im Thema Wasserstoff einen Schwerpunkt der Klimapolitik. So gibt der Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP das Ziel aus, Deutschland bis 2030 zum „Leitmarkt“ für Wasserstofftechnologie werden zu lassen. 

Es wird ein Regulierungsansatz benötigt, der sicherstellt, dass die Wasserstoffproduktion den Nachhaltigkeitskriterien aus RED II entspricht, ohne dass dabei übermäßige Hürden für den Hochlauf der grünen Wasserstoffwirtschaft entstehen. Produktion und Verbrauch von grünem Wasserstoff in der Industrie und anderen energieintensiven Sektoren wird für das erklärte Ziel einer kohlenstofffreien Energiewirtschaft von zentraler Bedeutung sein. Es gilt also, die Kriterien für grünen Wasserstoff mit Umsicht und Vorsicht zu gestalten.