Verhaltensökonomik und Energieeffizienz: Eine Forschungsrichtung findet ihren Weg in die Praxis

Verhaltensökonomik und Energieeffizienz: Eine Forschungsrichtung findet ihren Weg in die Praxis

Bei politischen Fördermaßnahmen zur Steigerung von Energieeffizienz wird das Effizienzpotential in Deutschland regelmäßig nicht voll ausgeschöpft. Die Gründe für eine solche Energieeffizienzlücke lassen sich insbesondere für private Haushalte auf Grundlage verhaltensökonomischer Ansätze analysieren.

In diesem Zusammenhang war Frontier jüngst mit einem Konsortium an zwei Beratungsprojekten für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zur Analyse bestehender Fördermechanismen zur Energieeffizienz sowie zur Implementierung neuer Fördermechanismen beteiligt. Frontier hat hierbei eine umfassende Untersuchung der aktuellen verhaltensökonomischen Konzepte und internationaler Best Practice durchgeführt und sowohl mögliche Hemmnisse als auch potenzielle Förderfaktoren verhaltensökonomischer Natur analysiert und auf dieser Basis Handlungsempfehlungen abgeleitet.

Die Ursprünge der Verhaltensökonomik

In der wissenschaftlichen Forschung gehört die Verhaltensökonomik (engl. Behavioural Economics) bereits seit über 20 Jahren zu den meist erforschten Gebieten der Wirtschaftswissenschaften. Die Verhaltensökonomik analysiert systematische Verhaltensmuster von Individuen in wirtschaftlichen Entscheidungssituationen und kann oftmals vermeintlich „irrationales“ Verhalten erklären, das von rationalen ökonomischen Kriterien abweicht. Somit können verhaltensökonomische Konzepte helfen, das tatsächliche Entscheidungsverhalten von Endkunden auf Märkten zu verstehen und Politikinstrumente dementsprechend danach auszurichten.

Zu den relevanten verhaltensökonomischen Konzepten gehören beispielsweise Phänomene wie zeitinkonsistente Diskontierung, Status-quo-Verzerrung oder soziale Präferenzen. Diese führen dazu, dass Endkunden Entscheidungen treffen, die oft im Widerspruch zu den Vorhersagen der neoklassischen Wirtschaftstheorie stehen. Die Verhaltensökonomik kann somit als zusätzliches Werkzeug dienen, um kostengünstige Maßnahmen gezielter und effizienter entwickeln und Aktivitätsraten von Individuen steigern zu können.

Oftmals werden experimentelle Methoden bei den Studien herangezogen, um das Verhalten von Individuen unter kontrollierten Bedingungen zu analysieren. Die Fortschritte und Erfolge in dem Bereich wurden mit zwei Nobelpreisen in Wirtschaftswissenschaften gewürdigt (Kahneman und Smith 2002, Thaler 2017).

Auch im deutschsprachigen Raum hat die experimentelle Wirtschaftsforschung eine lange Tradition. Der Nobelpreisträger Reinhard Selten hat bereits in den 1950er Jahren erste experimentelle Untersuchungen des ökonomischen Verhaltens durchgeführt. Ihm folgten mehrere renommierte Wissenschaftler, was dazu führte, dass sich Deutschland weltweit als ein wichtiger Standort der neusten Entwicklungen auf dem Gebiet der Verhaltensökonomie etabliert hat.

Die wissenschaftlichen Erfolge der Disziplin sind auch außerhalb der Universitäten auf reges Interesse gestoßen, vor allem aufgrund der populärwissenschaftlichen Literatur, wie die Bestseller „Nudge“ von Thaler und Sunstein oder „Schnelles Denken, Langsames Denken“ von Kahneman beweisen.

Erfolgreiche Anwendung verhaltensökonomischer Konzepte im internationalen Vergleich

International nutzen immer mehr Akteure verhaltensökonomische Methoden, um die Wirksamkeit von politischen Interventionen zu erhöhen. So haben besonders in Großbritannien sowohl die Regierung und Regulierungsbehörden als auch Unternehmen die Relevanz von nicht-monetären Anreizen für den Erfolg und Misserfolg von Maßnahmen erkannt. Das von der Regierung gegründete „Behavioural Insights Team“ beweist, wie zahlreich die Anwendungsmöglichkeiten der verhaltensökonomischen Instrumente sind. Verhaltensökonomische Ansätze haben beispielsweise geholfen, die Raten der Organspenden zu erhöhen oder die Effizienz des britischen Steuersystems zu verbessern.

Auch andere Länder wie Australien, USA, Singapur oder Frankreich, aber auch internationale Organisationen (z.B. Weltbank), haben eigene Gruppen zu diesem Thema gebildet, um die Potenziale von verhaltensökonomischen Methoden weiter zu untersuchen.

Verhaltensökonomische Ansätze eröffnen neue Perspektiven

Bei der Förderung von Energieeffizienz in Deutschland bedienen sich Politikmaßnahmen für private Haushalte vorrangig einem Instrumentenmix aus ordnungsrechtlichen Vorgaben, finanziellen Fördermaßnahmen und Bereitstellung von Informationen. Im Gegensatz zu ordnungsrechtlichen Vorgaben erfordern die beiden letzten Instrumente ein freiwilliges Aktiv-werden der Haushalte und zielen in erster Linie auf ökonomisch rationale Kriterien bei Investitionsentscheidungen ab.

So fördert die Bundesregierung beispielsweise die Installation von effizienten und kostengünstigen Heiz- und Kühlsystemen oder die Investitionen zur Verbesserung der Gebäudeeffizienz von Bestandsgebäuden mit Hilfe von finanziellen Maßnahmen. Diese Maßnahmen stoßen jedoch bislang mit ihrer Wirksamkeit an Grenzen: Die Abrufraten dieser Fördermaßnahmen bleiben hinter den Erwartungen zurück, obwohl sich diese aus finanzieller Sicht für einen Haushalt lohnen können.

Monetäre Anreize alleine reichen also oftmals nicht aus, damit Individuen aktiv werden. Angesichts der mit der angestrebten Wärmewende und Steigerung der Energieeffizienz verbundenen Herausforderungen sind deswegen neue Ansätze zwingend notwendig. Verhaltensökonomische Erkenntnisse zeigen neue Wege auf, wirtschaftspolitische Instrumente so auszugestalten, dass sie zu höheren Abrufraten von Energieeffizienzmaßnahmen führen können und somit wirksamer sind.

Unsere Expertise

Frontier verfügt über ein internationales Team an Verhaltensökonomen und berät regelmäßig Kunden aus dem öffentlichen und privaten Sektor zu verhaltensökonomischen Fragen und führt Schulungen und Workshops zu verhaltensökonomischen Konzepten und Implikationen durch.