Klimaschutzverträge: „Booster“ zur Dekarbonisierung der Industrie?

Das neue Förderinstrument Klimaschutzverträge soll Investitionen in klimafreundliche Produktionstechnologien in schwierig zu dekarbonisierenden Industrie-Sektoren anreizen.

Im Rahmen dieses Instruments schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die Reduktion von CO2-Emissionen in industriellen Prozessen aus. Die den Unternehmen entstehenden Mehrkosten der Klimaschutzmaßnahmen werden ganz oder teilweise durch staatliche Mittel ausgeglichen. Der den Unternehmen zu zahlende Betrag wird über ein Ausschreibungsverfahren ermittelt. In einer ersten Vergaberunde im Frühjahr 2024 konnten sich Industrieunternehmen bereits auf Mittel in Höhe von 4 Milliarden Euro bewerben.  

Das BMWK hat nun das vorbereitende Verfahren für die zweite Gebotsrunde für Klimaschutzverträge gestartet. Im vorbereitenden Verfahren können interessierte Unternehmen bis zum 30 September 2024 erste Eckdaten zu ihren Projekten sowie Kommentare oder Rückfragen zum Förderinstrument an das BMWK übermitteln. Die Teilnahme am vorbereitenden Verfahren ist Voraussetzung, um in der folgenden Gebotsrunde ein Angebot abgeben zu dürfen.  

Die Klimaschutzverträge richten sich an Investitionen in Anlagen: 

  • die Produkte produzieren, die dem Emissionshandel unterliegen; 
  • mit hinreichender Größe, deren Referenzsystem mindestens 10.000 t CO2e jährlich ausstößt. 
  • mit hinreichendem Förderbedarf, der über die Vertragslaufzeit mindestens 15 Mio. € beträgt. 

Förderfähig sind dabei Investitionen zur Umstellung auf erneuerbare Prozesswärme, aber auch Investitionen in andere Dekarbonisierungs-Optionen wie Carbon Capture und Storage.  

Für Projekte mit besonders hohem Förderbedarf ist die im Sommer beginnende zweite Förderrunde besonders interessant. Während in der ersten Gebotsrunde im Frühjahr 2024 nur ein geringer Fördertopf zur Verfügung stand, können sich interessierte Unternehmen nun auf Mittel in Höhe von 19 Milliarden Euro bewerben. Durch das höhere Fördervolumen sind zum Beispiel sektor-spezifische Förderbudgets in der Vergabe denkbar. Die Möglichkeit einer sektor- oder technologiespezifischen Vergabe ist in der Förderrichtlinie angelegt, wurde aber in der vergangenen ersten Gebotsrunde nicht genutzt.  

Die Klimaschutzverträge sollen die Mehrkosten klimafreundlicher Produktion ausgleichen 

Über das Förderinstrument der Klimaschutzverträge sollen Mehrkosten von Investitionen in erneuerbare Produktionstechnologien gegenüber konventioneller Industrieproduktion mit fossilen Energieträgern ausgeglichen werden. Interessenten bewerben sich auf die Klimaschutzverträge mit einem Basis-Vertragspreises in Euro pro Tonne CO2, die durch das Projekt vermieden werden soll. Die Zahlung dieses Basis-Vertragspreis soll dem interessierten Unternehmen ermöglichen, die Investition in eine erneuerbare Produktion zu tätigen und diese Anlage wirtschaftlich zu betreiben. 

Abbildung 1 Der KSV-Förderbetrag gleicht die höheren Kosten von erneuerbarer Industrieproduktion aus 

Die Klimaschutzverträge folgen dem Modell eines Carbon Contracts for Difference (Differenzkontrakts für CO2-Kosten). Dabei passt sich der Förderbetrag jährlich an den tatsächlichen (Mehr)Kosten des Projektes an. So wird zum Beispiel der Förderbetrag jährlich an den EU-ETS Preis angepasst, d.h. je höher der CO2-Preis steigt, desto geringer ist der erforderliche Förderbetrag, und umgekehrt. Hinsichtlich der Brennstoffkosten wird der Förderbetrag jährlich an die Preisdifferenz zwischen den Energieträgern der fossilen Referenzanlage und denen der erneuerbaren Projektanlage indexiert. Zudem werden mögliche Mehrerlöse aufgrund des grünen Wertes des Produktes (also am Markt erzielbare höhere Preise für grüne Produkte) oder anderweitige Förderzahlungen an den Fördernehmer gegengerechnet. Durch diese Anpassungen ist deshalb auch ein negativer Förderbetrag , also eine Rückzahlung von Fördermitteln an den Fördergeber (den Staat), möglich.  

Abbildung 2 Dank des Contract-for-Difference Design ist auch ein negativer Förderbetrag möglich 

Die Klimaschutzverträge haben einen innovativen Fördermechanismus 

Dieser innovative Mechanismus besitzt viele Vorteile:  

  • Aus Sicht des Fördergebers wird eine Überförderung oder Unterförderung von Projekten durch die jährliche Anpassung des Förderbetrags an die aktuelle Marktbedingungen vermieden. Durch die wettbewerbliche Vergabe kann sichergestellt werden, dass mit begrenzten Haushaltsmitteln die erreichbaren Emissionsminderungen maximiert werden.  
  • Für die Antragssteller ist positiv, dass die Klimaschutzverträge, anders als traditionelle Investitionsförderungen, auch den Betrieb der neuen Anlagen fördern. Zudem werden Schwankungen in den Betriebskosten über Indexierungen teilweise ausgeglichen, d.h. Risiken gemindert. Damit erhalten die investierenden Unternehmen größere Planungssicherheit in einem unsicheren Marktumfeld.  

Interessierte Unternehmen sollten sich frühzeitig mit dem Förderdesign vertraut machen 

Die innovative Gestaltung des Förderinstruments stellt Interessenten vor Herausforderungen. Unternehmen sollten insbesondere beachten, dass ihre projektierte Anlage möglichst eindeutig mit einer vom BMWK festgelegten Referenzanlage verglichen werden kann: Klimaschutzverträge vergüten nur CO2-Einsparungen gegenüber dieser Referenzanlage. Bieter, die die Charakteristik ihrer projektierten Anlage gegenüber der Referenzanlage kennen, haben hier einen Vorteil. 

Auch die Gestaltung der Vergaberunde birgt Herausforderungen. Das am stärksten gewichtete Vergabekriterium war in der ersten Vergaberunde die „Fördereffizienz“: Projekte, die sich mit einem geringen Gebotspreis (pro eingesparter Tonne CO2) bewerben, hatten bessere Chancen. Insofern hilft es im Bietprozess zu verstehen, wie sich andere Anbieter in den Auktionen verhalten könnten und wie sich das eigene Gebot gegenüber den Auswahlkriterien optimieren lässt. 

In der kommenden Förderrunde wird relevant sein, ob sektor- bzw. technologiespezifische Fördertöpfe bereitgestellt werden. Denn es ist wahrscheinlich, dass relativ aufwändige Projekte wie Neuanlagen zur Umstellung auf (klimaneutralen) Wasserstoff einen höheren Förderbedarf haben werden, als einfachere Projekte, wie z.B. bestimmte Projekte zur Direktelektrifizierung. Ist es das Ziel, ein breiteres Spektrum an neuen Technologien zu testen, sind technologie- bzw. sektorspezifische Ausschreibungen von Vorteil. Andernfalls könnten gerade technisch heraufordernde, langfristig aber zielführende Projekte in den am schwierigsten zu dekarboniserenden Prozessen im Vergabeverfahren leer ausgehen. 

Insgesamt sind die Klimaschutzverträge eine spannende Ergänzung der Erlöschancen von Investitionen in die Dekarbonisierung der Industrie. Um dieses sinnvoll nutzen zu können, ist es unabdingbar, das eigene Projekt im Detail zu kennen, das Auktionsverfahren zu verstehen und die Wirkweise und Hebel der Parameter wie Indexierungen und Korrekturrechnungen zu kennen, die die Förderbeträge im Zeitablauf stark beeinflussen können. Gerade die Dynamik der Förderung beinhaltet Chancen und Risiken für die Unternehmen, die die Akteure vor Gebotsabgabe für ihre eigene Positionierung durchdrungen haben sollten. 

Frontier Economics berät regelmäßig öffentliche Institutionen sowie private Unternehmen zu Investitionen im Markthochlauf von erneuerbaren Energien und dem Design von Fördersystemen. Wir können interessierte Unternehmen bei der Teilnahme an den Auktionen zu Klimaschutzverträgen unterstützen, indem wir die wesentlichen Eckdaten der Auktionen für die relevanten Projekte aufbereiten und die Chancen und Risiken des Förderinstruments für die Investoren analysieren. Mit unserer Expertise in der Gestaltung von Förderinstrumenten können wir zudem einschätzen, ob die Klimaschutzverträge oder ggf. auch andere Förderinstrumente für Ihr Projekt relevant sein könnten. Unsere Erfahrung mit Projekten im Bereich des Hochlaufs der Wasserstoffwirtschaft kann darüber hinaus helfen, die Erfolgschancen Ihres Projekts gegenüber möglichen Konkurrenten zu beurteilen und eine Gebotsstrategie entwickeln.